* Typisch Ibiza: Schwein gehabt ... Butifarra & Sobrassada


"Geh' doch zum Teufel !"

sagt man in Deutschland wenn man einem Mitmenschen nicht gut gesonnen ist - die Ibizencos aber sagen: "Jedes Schwein feiert Sankt Martin !" Und das meinen sie zwischen Allerheiligen und dem Tag der Schutz-heiligen Santa Catalina, dem 25. November und ein zweites Mal im Februar oder März wörtlich - dann ist nämlich Schlachtzeit !

Wenn an den Wochenenden früh morgens vor den Casas de campo aussergewönhlich viele Autos parken, wundern sich die Zugereisten (falls sie dann schon unterwegs sind), die Eingeweihten wissen aber Bescheid. Familienmitglieder, Verwandte und Freunde versammeln sich, um das Borstenvieh in wunderbare Butifarras (Blutwürste) und Sobrassadas (streichfähige, pikante Mettwürste) zu verarbeiten.

Für mich als "Gross"-Stadtkind aus Deutschland war die Einladung zu einer Matanza (Schlachtfest) schon etwas ganz besonderes ...

Da das Hausschlachten auf Ibiza seit vielen Jahren offiziell nicht mehr erlaubt ist, wird ein "offizieller" Metzger (Schlachter) bestellt, der das Schwein fachgerecht schlachtet und zerteilt.

Was mir besonders auffiel, war die Qualität und Farbe des Schweinefleischs - fest und leuchtend appetitlich rot !!! Dieses Fleisch hatte wirklich nichts gemein mit den blassen und wässrigen Schnitzel, die man handelsüblich in den Supermärkten kaufen kann.

Die Antwort auf meine Nachfrage, warum, wieso, weshalb das Fleisch so eine tolle Qualität hat, war recht einfach: "Unser Schwein bekommt nur gutes zu fressen, weil meine Familie dieses Schwein ja isst ..."

sagte Señora Eulalia (die mich eingeladen hatte, bei ihrer Matanza dabei zu sein) "... wenn unser Schwein schlechtes Futter bekäme, würden wir ja auch schlechtes Fleisch essen." Na, das war klar und deutlich.

"Ein Schwein wird ein Jahr gut ernährt und gibt dann gute Wurst - wiederum für ein Jahr. Die letzte Wurst

der vorjahres Matanza wird vor Weihnachten gegessen und die erste Wurst von diesem Jahr wird am Weihnachtsfest probiert." erklärt Señora Eulalia. Nun war mir klar, was da auf mich jetzt zukam:

ca. 300 Würste !!!

Die Arbeit begann:

Die Männer zerteilten das Schwein, entfernten Borsten und säuberten die Schwarten mit Unmengen heissem Wasser. Nachdem die Männer alles Fleisch vom Knochen gelöst und durch den grossen Fleischwolf gedreht hatten, wurde die Masse in riesigen steinernen Schüsseln gewürzt. Mit vollen Händen kamen Salz, Pfeffer, Paprika und sonstige Gewürze zum Einsatz. Überflüssig zu erwähnen, das Hunderte von Rezepten kursieren, die Würste wie Familienschätze gehandelt werden und nicht in Supermärkten zu kaufen sind.

Familien, die auf sich halten, verarbeiten heute noch das ganze Schwein (trotz der angesagten Molekular-Küche und der aktuellen Veggie-Welle !) - vom Filet übers Kotelett bis hin zum Eisbein - ALLES kommt in die Wurst. In früheren Zeiten, als es noch keine Elektrizität (sprich Kühlschränke zum Lagern) in den Casas de campo gab, war das üblich. Heute kommt es vor, dass schon mal ein Filet zur Seite gelegt wird.

Ich bekam die Aufgabe zugeteilt, schon gereinigte Naturdärme (sogenannte Tripas), in die die fertige Wurstmasse später eingefüllt werden sollte, mit frischen Zitronenblättern (konnte ich mir direkt von den umstehenden Zitronenbäumen pflücken) sorgfältig auszureiben. Ob nochmals zur Desinfektion oder als Geschmacksträger blieb mir verschlossen. Die Tripas erschienen mir auf jeden Fall endlos.

Die Männer waren beschäftigt - ich auch ! Was machten die anderen Frauen ?

Sie bereiteten das Mittagessen. In einer Paella-Pfanne wurde auf offenem Feuer aus Reis, den Schweine-Innereien, Zwiebeln, Paprikaschoten, Zuccini und anderen Gemüsen (die direkt vom Feld hinterm Haus kamen), der traditionelle Arroz de matanza (Schlacht-Reis) zubereitet. Dazu gab es Vino pages, danach selbstgemachten Hierbas.

(Dieser Schlacht-Reis war ein besonders köstliches Highlight in meinem "essen&trinken"-Leben).

Danach alle wieder an die Arbeit - Jetzt musste die Wurstmasse in die Tripas und die Würste wurden dann

an beiden Enden zugeknotet. Wurst um Wurst. Handarbeit ... Die Butifarras wurden dann auf offenem Feuer in grossen Töpfen in einem gewürztem Sud gekocht. Die Sobrassadas kamen direkt auf den langen Palo (Stab), der dann in der Vorratskammer (Garage) aufgehängt wurde.

Diese Kammer - einfach wunderbar !

Da baumelten Würste vom letzten Schlachtfest, hingen rote scharfe Paprikaschoten, Lorbeer, Knoblauch,

da lagen in Leinensäcken Mandeln, trockneten Feigen und Kräuter, da stand der Vino pages in den dicken grünen bauchigen Flaschen und viele, viele kleinere Flaschen gefüllt mit selbstgemachtem Hierbas ...

wie im Schlaraffenland !

Irgendwann am Abend war die Arbeit getan und der gemütliche Teil des Tages begann. Es wurde wieder gegessen,  getrunken, und noch lange über Gott und die Insel geredet.

Die fertigen Würste lachten uns alle an, gezählt habe ich sie nicht, aber es werden wohl so über 300 gewesen sein. Einige davon durfte ich mit nach Hause nehmen - und die erste davon habe ich Weihnachten probiert ...

Lecker, lecker - da habe ich mal so richtig Schwein gehabt freut sich die Mona ...

Aufgegabelt:

Manteca de cerdo = Schweinebutter, so wird das Schweineschmalz genannt.

Neben Olivenöl das zweite Basisfett der ibizenkischen Küche.

Übrigens: Schweineschmalz enthält nur halb soviel Cholesterin wie Butter ...


Der ibizainfos-X-tra-Geniesser-Tipp:

... wunderbare Sobrassadas
... wunderbare Sobrassadas

Traditionell wird die Sobrassada von den Einheimischen am liebsten so gegessen: dick auf eine Scheibe Bauernbrot streichen, dann je nach persönlichem Geschmack mit Honig beträufeln oder mit Zucker bestreuen aber auch gerne mit Quitten- oder Aprikosen-Marmelade - die Krönung ist aber obenauf ein Spiegelei ! Dazu ein Gläschen Vino tino !

Die beliebte Sobrasada findet sich aber auch in vielen Rezepten für herzhafte Suppen, bunten Salaten und defitgen Eintöpfen wieder ...

Aufgegabelt:

s/w-Fotos: Enciclopedia d'Eivissa i Formentera
s/w-Fotos: Enciclopedia d'Eivissa i Formentera

Die Geschichte der Sobrassada reicht zurück bis ins  17. Jahrhundert. Es war damals die einzige Möglichkeit, frisches Fleisch haltbar zu machen und es auf diese Weise länger nutzen zu können. Die rote Farbe kam bereits im 18. Jahrhundert durch die Zugabe von rotem Paprikapulver, das ursprünglich aus Amerika stammte und mit den ersten Schiffen nach Europa kam. Die typischen Matances sind Tradition auf Ibiza. Es waren und es sind heute immer noch Familienfeiern, Treffen von Freunden und Nachbarn. Früher waren die Matances unerlässlich, denn sie versorgten die Familien mit Nahrung für das ganz Jahr.

Noch in den vergangenen Jahrzehnten wurden die Schlachtfeste auf der Insel, selbst mitten in der Stadt, auf der Strasse "gefeiert". Viele Bewohner der Stadtviertel Sa Penya, La Marina oder Dalt Vila hielten sich einen Schweinekoben und Hühnerställe im Haus selbst, aber in durchaus hygienischen Höhlen, die in den Berg gehauen waren. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts spazierten die Schweine in der Gesellschaft von Hühnern, Kindern und allerhand Lumpenpack auf der Strasse herum. Darunter müssen die gesundheitlichen Bedingungen allerdings so gelitten haben, dass man 1811 Massnahmen ergriff und eine Verordnung erliess, die unter Androhung einer Geldstrafe von einer Pesete das freie Herumlaufen der Schweine verbat.

Quellennachweis: Mariano Planells, Die Geheimnisse Ibizas von A bis Z


Die Weltmeisterschaft

D'ARRÒS DE MATANCES

(frei übersetzt: wer kocht den besten Schlachtreis ?)

wird alljährlich unter grosser Beteiligung der Einheimischen und Zugereisten

zum Patronatsfest in Sant Antoni ausgetragen ...


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